Der Journalist und Blogger Marvin Oppong arbeitet derzeit offensichtlich mit Hochdruck an einer ganz heißen Story - er will die Zusammenhänge industrieller Einflussnahme auf die deutschsprachige Wikipedia aufklären und dabei wahrscheinlich den ganz großen Skandal aufdecken: Die Wirtschaft manipuliert die Wikipedia-Inhalte!
Im Fokus seiner Recherchen: Achim Raschka, seines Zeichens langjähriger Wikipedia-Autor und Vorstandsmitglied des Wikimedia e.V. - zudem Betreiber dieses kleinen Blogs und - und hier liegt der Knackpunkt - Berater von Unternehmen, Verbänden und Organisationen zum Umgang mit der Wikipedia. Nun ist Letzteres zwar nicht unbedingt eine Neuigkeit, da ich es sehr offen kommuniziere, aber natürlcih ist auch nachvollziehbar, dass die Tatsache Unverständnis und Unwillen hervorruft: Warum und zu welchen Konditionen tut er das, was hat er davon und vor allem - hilft er den Unternehmen dabei, die Wikipedia in ihrem Sinne zu manipulieren. Von diesen Fragen getrieben, hat sich Marvin Oppong nun aufgemacht, die Wahrheit zu finden und den Skandal aufzudecken - die mögliche Schlagzeile Wikimedia-Vorstand unterstützt Unternehmen bei der großen Wikipedia-Manipulation" bereits vor Augen.
Vorweg: Ich finde es gut, dass Herr Oppong kritisch recherchiert und versucht, die Details meiner Beratungen herauszufinden. Ich habe - so ich mich recht erinnere - ihm auch bereits erste Fragen dazu vom Podium der Jahrestagung 2010 des netzwerk recherche e.V. (Hinweis: Herr Oppong wies darauf hin, dass ich micht nicht richtig erinnere und ich ihm keine diesbezügliche Fragen beantwortet habe), bei dem ich zum Thema eingeladen war, beantwortet (er mag mich diesbezüglich korrigieren) und hätte dies wohl auch gern in weiteren Gesprächen gemacht. Nun ist Herr Oppong allerdings nicht nur Journalist, er ist vor allem "investigativ" und sucht nach "Filz, Mißwirtschaft, Lobbyismus und Korruption" - er ist darin offensichtlich auch nicht wirklich schlecht, immerhin wurde er 2009 als einer von über 30 Autoren des Blogs carta mit einem Grimme-Online-Preis für genau diese Arbeit ausgezeichnet und schrieb für die taz (Hinweis: nach eigener Auskunft mittlerweile nicht mehr) und andere bekannte Blätter. Bei Carta betrieb er bis Dezember 2010 das Blog Investigativer Journalismus,
So rief er mich letzte Woche mit einem gefakten Auftragsangebot an und versuchte, mit gezielten Fragen, Details über meine Arbeit und vor allem über die Unternehmen heraus zu bekommen - die Reporter ohne Grenzen nannte ich ihm ohne Bedenken (selbige hatten mir dies zugestanden, auch in der Kommunikation mit der Community), bei weiteren druckste ich aufgrund der Zusage der Verschwiegenheit, die ich Kunden gegenüber natürlich gebe, ein wenig herum - die Worte Energie und Handel gab ich denn doch preis, aus denen Herr Oppong schloss, dass zwei meiner Kunden wohl die RWE AG und die Metro AG gewesen sein sollten - immerhin, 50% Trefferquote, allerdings auch niciht schockierend, da mit der RWE keine Geheimhaltung vereinbahrt wurde und ich ein Ergebnis des Treffens hier sogar öffentlich gebloggt hatte -> Fukushima und die "German Angst"
Gestern abend bekam ich dann einen Fragenkatalog von Herrn Oppong, eingeleitet mit den Worten "ich bin freier Journalist und bitte Sie um die Beantwortung der folgenden Fragen bis spätestens morgen, 12 Uhr." - Mmh, freundlich ist was anderes! Zeitgleich bekamen noch etliche weitere Personen Post von ihm, um Fragen bezüglich unserer Manipulationsunterstützung zu klären - mir bekannt die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, in deren Auftrag wir (die nova-Institut GmbH) bis 2010 gemeinsam mit der Community der deutschsprachigen Wikipedia das Wikipedia-Projekt Nachwachsende Rohstoffe durchführten, die Geschäftsstelle des Wikimedia e.V. (zum bereits wiederholten Mal), die RWE AG und Reporter ohne Grenzen (wahrscheinlich auch die Metro AG).
Bezüglich der Zeitvorgabe musste ich ihn enttäuschen, Antworten bekommt er natürlich - per Mail und auch hier öffentlich via Blog. Hier nun also die Fragen und unsere Antworten:
1. Trifft es zu, dass Sie für die RWE AG, die Metro AG und die Organisation Reporter ohne Grenzen jeweils mindestens ein Inhouse-Seminar zum Thema Wikipedia durchgeführt haben?
Es trifft zu, dass ich als Angestellter der nova-Institut GmbH für die RWE AG und für Reporter ohne Grenzen jeweils ein Beratungsgespräch zu Funktionsweise der Wikipedia, zur Dynamik und Arbeitsweise der Community und zur Qualitätsentwicklung durchgeführt habe. Nur im Fall von Reporter ohne Grenzen fand die im Rahmen eines Inhouse-Seminars statt, im Fall der RWE fand ein dreistündiges Gespräch in den Räumen der nova-Institut GmbH statt.
Zur Metro AG bestehen keine Kontakte und es gab nie ein entsprechendes Seminar.
2. Wann fanden diese Seminare jeweils statt?
Das Gespräch mit der RWE fand im April 2011, das Seminar mit Reporter ohne Grenzen im August 2010.
3. Was genau hatten die Seminare jeweils zum Inhalt? Hatten die Seminare jeweils auch Unternehmensdarstellungen in der Wikipedia zum Gegenstand?
Die Seminare hatte die Funktionsweise der Wikipedia und die Arbeit der Community in ihrer Vielfältigkeit zum Thema. Zudem informierten sie über die Artikel- und Qualitätsentwicklung (Löschungen, QS, Kandidaturen, Gesichtete Versionen), die hierarchische Struktur der Community, Konfliktmanagement und Diskussionsmöglichkeiten in der Wikipedia und weitere allgemeine Themen. In einem spezielleren Block wurden die Relevanzkriterien mit Fokus auf Unternehmens- und Organisationendarstellungen, Aufrufzahlen für Artikel im Themenvergleich und im internationalen Vergleich (aus dem RWE-Gespräch entstand der Blogbeitrag http://achimraschka.blogspot.com/2011/04/fukushima-und-die-german-angst.html) und natürlich auch Möglichkeiten der inhaltlichen Beteiligung im Sinne der Wikipedia-Philosophie, Abgrenzungen zur PR-Arbeit und Grenzen der Unternehmensdarstellung dargestellt. In keinem Seminar wurden Artikel im jeweiligen Themenfeld bearbeitet noch wurden konkrete Anleitungen zur Manipulation von Artikeln gegeben.
4. Welche Mitarbeiter des nova-Instituts waren an der Vorbereitung und Durchführung der o. g. Seminare jeweils namentlich beteiligt? War an der Vorbereitung oder Durchführung eines oder mehrerer der o. g. Seminare der frühere Mitarbeiter des Nova-Instituts, Herr <name entfernt>, beteiligt? Wenn ja, an welchem/n Seminar/en und in welcher Weise? War an der Vorbereitung oder Durchführung eines oder mehrerer der o. g. Seminare jeweils Herr <name entfernt> vom Verein Wikimedia Deutschland e. V. beteiligt? Wenn ja, in welcher Weise?
Sämtliche Seminare wurden allein von mir, Achim Raschka, vorbereitet und durchgeführt.
5. Trifft es zu, dass die RWE AG, die Metro AG und die Organisation Reporter ohne Grenzen für die Seminare jeweils eine Tagespauschale in Höhe von <Betrag entfernt> Euro zuzüglich einer Vorbereitungspauschale in Höhe eines halben Arbeitstages bzw. in Höhe von <Betrag entfernt> Euro sowie die Anfahrtskosten gezahlt hat?
Über die finanziellen Konditionen für Schulungen der nova-Institut GmbH werden wir in diesem Rahmen keine Auskunft geben.
6. Erfolgte die Abrechnung auf Ihre eigene Rechnung oder auf Rechnung der nova-Institut GmbH?
Ich bin Angestellter der nova-Institut GmbH und die Seminare werden entsprechend über das Institut abgerechnet.
Ich hoffe mal, dass diese Antworten - deren Inhalt nicht wirklich überraschend sein kann, da ich mit Ausnahme der Unternehmensnennung an etlichen Stellen bereits die Inhalte der Seminare und auch einzelne Konditionen kommuniziert habe - der Aufklärung dienlich sein werden. Herrn Oppong (und anderen) sollte klar sein, dass mir als langjähriger Wikipedia-Mitarbeiter, der nicht nur sehr viel Herzblut, sondern vor allem viel Zeit und auch Geld in dieses Projekt steckt, selbiges am Herzen liegt und ich natürlich nichts tun werde, um diesem einen wie auch immer gearteten Schaden zuzufügen. In diesem Sinne verstehe ich auch die Seminare: Ich versuche, den Adressaten derselben aufzuzeigen, wie die Wikipedia funktioniert und Ihnen ein Gefühl und Verständnis dafür zu vermitteln, was im Rahmen der Wikipedia-Grundsätze gewollt und machbar ist und wo die Grenzen liegen - das kann nach hinten losgehen (ist mir bewusst), allerdings nicht mehr als die bewusste Blockade gegen jegliche Aufklärungsarbeit im PR-Bereich.
Für weitere Fragen stehe ich natürlich gern und jederzeit zur Verfügung - aber bitte nicht mit zeitlichem Ultimatum oder mit Fake-Anruf, das ist unseriös.
P.S.: Unabhängig vom angesprochenen Thema: Ich wünsche Ihnen, Herr Oppong, sehr viel Erfolg und Beachtung mit Ihrer neuen Buchveröffentlichung "Migranten in der deutschen Politik".
Willkommen im privaten Blog von Achim Raschka. Ich schreibe hier sporadisch zu Themen, mit denen ich mich gerade beschäftige - der Titel ist dabei exemplarisch und bezieht sich auf Einzelaspekte, Neben Brot (und anderen Speisen), Musik (in allen Varianten) und Spielen (vor allem wohl analoges) finden sich vor allem Themen zur Wikipedia und ... was mir halt noch so alles einfällt.
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5 Kommentare:
Wenn man sich Oppongs Œuvre betrachtet, wünscht man sich fast, er wäre seinem Jurastudium als Strafverteidiger entstiegen - die Verurteilungsquoten seiner Mandanten ob der erdrückenden "Beweislasten" wären phänomenal.
Offensichtlich kennt der Mensch dich nicht persönlich. Sonst könnte er nicht an deiner Integrität zweifeln. Ich finde es sehr ärgerlich, wie dein Bemühen, Verständnis bei Unternehmen zu schaffen, wie die Wikipedia tickt, so manipulativ ausglegt wird. Das zeigt: Nicht jeder glaubt an das Gute im Menschen.
Herr Oppong hat nicht den Grimme-Online-Award bekommen, sondern der Award galt dem ganzen Konzept (zu diesem Zeitpunkt 20+ Autoren). Es gab auch kein Blog investigativer Journalismus, sondern das war ein Menüeintrag, der auf Liste einer handvoll Artikel von Oppong verlinkte.
Bei Carta ist Oppong mit lautem Geräusch ausgeschieden, weil alle Herausgeber (u.a. ich) nicht mit dem Vorgehen Oppongs einverstanden waren, uns Belege fehlten und ich den Vorgang selbst (Fernsehkoch benutzt auffaellig Weine und Geraete) nicht sonderlich ueberraschend fanden.
Lassen Sie sich mal nicht von diesem Stil beeindrucken.
Ich kenne solche offenen und kaum verschlüsselten Anwürfe sowie die Drucktermine und schon in der Fragestellung verurteilenden Fragebogen aus meiner früheren Arbeit. Ruhig bleiben, dort antworten, wo es etwas bringt, KURZ und KLAR antworten wenn man nichts zu verbergen hat. Verdächtigt ist man leicht, entlastet selten.
http://bit.ly/mEupx3
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