Freitag, 26. Dezember 2025

Bei uns kommt Lemmy

 Ich möchte euch etwas erzählen – über uns, also über mich und meine Familie und über unsere Weihnachtszeit. Ihr kennt diese Zeit im Jahr ja alle: viel Stress in den Wochen vor dem Jahresende, viel Hektik - zugleich aber auch Spannung und Vorfreude auf die Feiertage - da sind wir keine Ausnahme. Allerdings gibt es doch einen Unterschied: Ich und meine Frau sind Atheisten, unsere Kinder ungetauft; die Kirche, die Weihnachtsgeschichte und die Geburt Christi finden in unserem Leben nicht wirklich statt und es hat für unsere Berliner Heidengören schon etwas gedauert, den Umgang mit den Katholiken hier im Rheinland zu begreifen.


Wir feiern an Weihnachten aber trotzdem – weil’s eben alle tun. Und genau darum gibt’s bei uns noch einen weiteren Unterschied: Bei uns wird am Heiligen Abend bereits morgens die Musik aufgedreht und ein treibender Bass dröhnt durch die Wohnung. Bei uns kommt zu Weihnachten kein Christkind und auch kein Weihnachtsmann - bei uns bringt der Lemmy die Geschenke ….


Lemmy? - Wer ist Lemmy?

Na, einige von euch wissen es natürlich:Ich rede von  Lemmy Kilmister, Sänger und Bassist von Motörhead. Eine lebende Metal-Legende – zumindest, bis er dann eben nicht mehr lebte. Nur, was hatte gerade der mit Weihnachten zu tun?


Nun, ich muss dafür etwas ausholen und euch was von seinem Leben erzählen, die Lemmygeschichte eben: Lemmy, eigentlich Ian Fraser Kilmister, wurde am 24. Dezember 1945 geboren – also in dem Jahr, in dem der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, ein wenig wie ein Christkind nach dem Krieg. Sein Vater war Pfarrer und Soldat, ein Feldkaplan der Royal Air Force, und er verschwand bereits bald nach Lemmys Geburt wieder. Seine Mutter zog den Jungen allein in einem englischen Industriekaff namens Stoke-on-Trent auf und heiratete einen Profifußballer, als Lemmy 10 Jahre alt war; mit dem kam Lemmy allerdings überhaupt nicht klar. Die Familie zog mit ihm nach Nordwales, in einen Ort namens Benllech auf Anglesey, wo er von Freunden auch den Spitznamen Lemmy bekam.


Dort nahm das Leben seinen Lauf: Ihr erinnert euch an den 12-jährigen Jesus im Tempel, als er die Händler verscheucht und Priester beschimpft hat? Lemmy fing etwa im gleichen Alter an, den Mädels mit ihren Petticoats hinterher zu steigen; er tanzte sogar Twist, damit er den fliegenden Röcken näher war. Mit 15 flog er ohne Abschluss von der Schule, jobbte in ein paar Fabriken und ging nach Manchester und London, um Musik zu machen. Er war kurz sogar Roadie bei Jimi Hendrix und Anfang der 1970er - also zu der Zeit, als ich mit dem Krabbeln und Brabbeln anfing - lernte er die Jungs der damals recht erfolgreichen britischen Band Hawkwind kennen, bei deren Spacerock-Nummern er dann den Bass spielte und selbst auch Songs schrieb. 1975 flog er bei denen raus, nachdem er an der kanadischen Grenze mit Amphetaminen, also mit Speed, erwischt wurde, und sie seine Kaution blechen mussten. Nicht, dass die Band etwas gegen Drogen hatte, sie hatten in ihrem Repertoire einige Loblieder auf den Konsum von Haschisch und LSD, aber irgendwie übertrieb es Lemmy wohl. Der gründete dann seine eigene Band: Motörhead – benannt nach einem Song, den er vorher noch für Hawkwind geschrieben hatte und der es bei ihnen nur auf die B-Seite einer Single schaffte.


Nun, Lemmy war damals tatsächlich ein echter Motörhead - ein Typ,der immer unter Strom stand und sich die Birne mit Speed und Jackie/Cola volldröhnte.

Ich habe keine Ahnung, ob das der Grund war, warum Lemmy seinen “Rickenbasstard” so viel schneller spielte als andere Musiker der Zeit ihre Gitarren; er meinte irgendwann mal, dass er mit den sechs Saiten der Gitarre überfordert sei und deshalb lieber weiter seinen Viersaiter spiele. Bei seinen Songs wie “Bomber” oder der Pokerhymne “Ace of Spades” prügelte er den Bass so krass durch die Songs, dass es irgendwie immer schwerer wurde, seine Band als einfache Rock’n Roll-Band einzuordnen - aber obwohl alle in ihnen eine der frühesten Heavy-Metal-Bands sehen, hat er zeitlebens und bei jedem einzelnen Konzert darauf bestanden: “We are Motörhead and we play Rock’n Roll”.


Sein Gitarrist “Fast” Eddie Clarke und vor allem sein Schlagzeuger “Philthy Animal” Taylor - laut dem Muppets-Gründer Jim Henson das offizielle Vorbild für den verrückten Drummer Animal der Muppetsband - halfen dabei. Später wurden beide ausgetauscht und zuletzt stand Lemmy bis zu seinem Tod am 28. Dezember 2015 - also genau heute vor 10 Jahren, er war gerade 70 geworden - mit den grandiosen Musikern Phil Campbell und Mickey Dee auf der Bühne, die ihre Vorgänger vor allem in der Feinarbeit deutlich übertrumpften und in der Geschwindigkeit in nichts nachstanden.


Nun stellt sich natürlich die Frage, wieso ein solcher Typ bei uns die Rolle des Weihnachtsmannes einnimmt; Allein sein Geburtsdatum kann es ja schlecht sein.


Lemmy mit Geschenk
(erstellt mit ChatGPT)
Die Antwort: Lemmy Kilmister faszinierte und inspirierte mich und viele andere Menschen, gerade solche, die ein wenig anders ticken, durch seine Art. Er zeichnete sich menschlich durch seine absolute Geradlinigkeit und Ehrlichkeit aus; er war einfach authentisch und ließ sich nicht verbiegen. Er war geprägt durch seine Unbekümmertheit im Umgang mit sozialen Konventionen und Regeln und immer unbequem, Autoritäten waren ihm egal. Er war loyal, hilfsbereit und trotz seines wilden Lebens – bescheiden. Für Freunde, Fans und Bandmitglieder war er immer einfach da und er legte mehr Wert auf zwischenmenschliche Beziehungen als auf materiellen Besitz. Er stand zu seinen Fehlern und Schwächen und baute darauf selbstironisch seinen eigenen Mythos auf, ohne sich selbst dabei allzu ernst zu nehmen. Und er konnte auch die Schwächen und Besonderheiten anderer immer respektieren, seinen Freunden stand er immer zur Seite. Alles in allem: Trotz oder gerade wegen seiner Schwächen hatte er alles, was ein Idol menschlich macht. Und darum kommt bei uns Lemmy, weil er uns daran erinnert, was zählt: Ehrlichkeit. Akzeptanz, Haltung und Humor - und ein bisschen Krach, wenn’s sein muss. War Lemmy ein Heiliger? Vielleicht, aber wahrscheinlich nicht - aber er war ein echter Mensch mit Humor und Herz.


Bei uns kommt also Lemmy und bringt die Geschenke - und das erzähle ich all meinen Kindern seit sie klein waren. Ich hoffe, Lemmy kommt in Zukunft auch zu ihnen und ihren Kindern, aber ich denke, sie werden ihre eigenen Idole finden; vielleicht kommen bei meinen Mädels ja die Girls von Blackpink oder die Dinos von Heavysaurus. In diesem Jahr wird er übrigens unterstützt - ich bin mir sicher, dass Ozzy und auch Ace Frehley von Kiss ihn begleiten werden.


Cheers, Lemmy - Rock in Peace! Und euch allen: Rock On und Rock Out!






Donnerstag, 11. Dezember 2025

Der Bifröst oder: Wie Weihnachten nach Asgard kam

Heimdall staunte nicht schlecht über das ungewöhnliche Gespann, das sich gerade über den Bifröst auf Asgard zubewegte. Er war seit Jahrtausenden abgestellt, die große Brücke vom eisigen Jötunheim und dem wilden Midgard in seine Heimat zu bewachen und hatte seitdem schon vieles gesehen und erlebt, aber das war selbst für den alten Asen ungewöhnlich. Er wog noch ab, ob das Gespann, das da über die dreispurige Regenbogenstrecke auf ihn zu schaukelte, eine Ausgeburt seiner eigenen Phantasie und dem reichlichen Met entsprungen war, den er an seinem einsamen Posten in wahren Strömen verkostete - aber dafür war es denn doch zu real.

Ein lautes “Ho - Ho - Ho” schallte zu ihm herüber, begleitet vom Klingen tausender … Glöckchen? Zuerst sah er nur die Rentiere, die im Vergleich zu denen, die er selbst kannte, irgendwie mickrig wirkten. Dann bemerkte er, dass sie einen riesigen Schlitten zogen, auf dem ein großer bärtiger Mann in einem roten Mantel vor etlichen gut gefüllten Säcken saß. Dem grässlichen Geschlecht der Frostriesen Ymirs glich der Mann nicht, eher wirkte er wie eine Parodie auf Odin selbst, hätte er nicht diesen grässlichen roten Mantel um die Schultern geworfen. Und so stützte sich Heimdall erstmal auf seine große Axt und ließ das Gespann näher kommen.
“Ho - Ho - Ho,” rief der Fremde ein weiteres Mal und brachte seine Rentiere zum Stehen, sodass der Schlitten direkt neben Heimdall anhielt. “Ho, guter Mann,” sagte er, “du kannst mir sicher helfen, oder? Ich habe mich irgendwo verfahren und finde nun den Weg nicht weiter nach Berlin.”

Heimdall schaute den Mann weiter entgeistert an, was diesen motivierte, weiter auszuholen: “Berlin, da wollte ich eigentlich hin. Ich bin am Nordpol gestartet und bin dann in einen Eishagelsturm geraten, der mich irgendwie vom Weg ab brachte. Ich landete in einem Land, das ich noch nie gesehen hatte - und das muss schon was bedeuten - mit hohen eisigen Bergen, wo das Wetter noch unwirtlicher ist als bei mir zu Hause. Doch damit nicht genug: Blaue Riesen, die ich nach dem Weg fragen wollte, griffen mich an und so musste ich fliehen - zu meinem Glück konnten sie nicht fliegen und meine Jungs hier - er wies auf die Rentiere - sind den hinter uns her fliegenden Steinen so geschickt ausgewichen, dass wir aus der Nummer nochmal ganz gut rausgekommen sind. Aus der Ferne sah ich ein farbiges Leuchten, das sich als dieser Regenbogen entpuppte, der wohl sowas wie eine Straße ist - und nun bin ich hier. Ich bin übrigens der Weihnachtsmann; du darfst mich gern Klaus nennen.”

Klaus redete weiter und Heimdall verstand nur Skaldengesang - er hatte noch immer nicht begriffen, was der sonderbare Mann von ihm wollte. Er hatte auch noch nie von ‘Berlin’ gehört, nahm aber an, dass das irgendwo in der Menschenwelt sein würde.
“Nun mal sachte,” sagte er, “wir müssen das hier erstmal streng nach unseren Regeln machen, Herr Klaus. Sie kommen gerade über den Bifröst und erreichen Asgard - und das mit einem Gefährt voller Säcken, bei denen ich nicht weiß, was darin ist. Wir haben hier Vorschriften und bevor sie irgendwohin weiterfahren, schauen wir uns doch erstmal ihre Ladung an - so kommen sie mir zumindest nicht an Odins Hof, so wahr ich hier darüber zu wachen habe.”
“Aber, …” - “Kein Aber. Was ist denn in den Säcken, die quellen ja fast über, so prall sind die gefüllt.” “Aber, das versuche ich doch zu erklären. Das sind die Geschenke für die Kinder in Berlin - ich bin der Weihnachtsmann und es ist mein Job, allen Kindern Geschenke zu bringen.” “Und mein Job ist es, darauf aufzupassen, dass hier nichts Verkehrtes nach Asgard gelangt – und am Ende noch versehentlich den Ragnarök auslöst. Und wir führen hier keine unregistrierten Schlitten ein, schon gar keine mit fremdweltlicher Magie. Solang wir uns also nicht sicher sind, dass diese ‘Geschenke’ auch harmlos sind, geht’s hier nicht weiter. Haben Sie Papiere oder Runensteine?”

“Ich will aber doch gar nicht in ihr Asgard, sondern nach Berlin - bis gerade wusste ich nicht mal, dass all das hier existiert.” “Und ich kenne ihr ‘Berlin’ nicht. Sie können also umkehren, und ihre Probleme mit den Frostriesen klären oder wir klären hier, was zu klären ist, und finden dann vielleicht in Asgard jemanden, der helfen kann. Zumindest Thor und Loki besuchen ständig die Menschenwelt …” Klaus wirkte zunehmend verzweifelter und seine Unruhe erfasste auch das Gespann; die Tiere traten, schnaubten und warfen die Köpfe zurück. Am schlimmsten stand es um das Leittier – dessen Nase begann in einem übernatürlichen Rot zu glühen, wie glühendes Eisen unter einem Schmiedehammer. Heimdall runzelte die Stirn. „So etwas habe ich nicht einmal in Muspelheim gesehen“, murmelte er vor sich hin, und lauter sagte er zu Klaus: “Hier muss wohl Odin kommen und entscheiden.”

Heimdall griff in eine Kiste, die neben ihm stand und holte das archaisch wirkende Gjallarhorn hervor. Er hob es an die Lippen und ein Ton, so tief und gewaltig, dass selbst die Wipfel von Yggdrasil bebten, hallte durch alle neun Welten. In ganz Asgard blieb kein Krieger unbewegt – mancher ließ den Metkrug fallen, andere griffen nach den Waffen, und selbst in Walhall erstarb der ewige Kampfeslärm der Gefallenen und machte Platz für ein abwartendes Schweigen. „Odin!“, donnerte Heimdalls Stimme über den hallenden Klang, „ein Fremder mit einem seltsamen Gespann steht auf dem Bifröst und begehrt Einlass!“ Klaus schüttelte den Kopf und flüsterte leise vor sich hin: “Ich wollte doch nur …”




Nicht Odin erschien zuerst, sondern Magni und Modi, die jugendlichen Söhne Thors und Jarnsaxas, mit ihrer Clique. Sie hatten, wie eigentlich immer, Langeweile, und wollten unbedingt sehen, was hier passierte. Direkt danach kam auch Loki, der keine Gelegenheit für eine kleine Intrige verpassen wollte. Sie alle hielten jedoch Abstand, als sie den seltsamen Schlitten und vor allem den riesigen rotgekleideten Mann und dessen Zugtiere sahen, die wohl direkt aus Hels Reich entsprungen waren. Nach und nach kamen weitere Zuschauer, Baldur und Hödur gesellten sich gemeinsam mit Thrúd zu ihren Halbgeschwistern. Dann erschien Thor – donnernd und kampfbereit, Mjölnir in der Hand, und direkt hinter ihm seine Gattin Sif. Auch Freya kam und musterte neugierig die fliegenden Rentiere. Und schließlich tauchte auch Odin selbst, der Allvater, auf und bahnte sich seinen Weg nach vorn. “Was soll das Getöse, Heimdall, du sollst das Gjallarhorn doch nur dann zur Hand nehmen, wenn die Welt untergeht und Ragnarök naht. Ich kann jedoch weder den Fenriswolf noch die Midgardschlange tösen hören.” Dann erblickte auch er den Fremden und runzelte die Stirn – und trat langsam näher.


“Er sagt, er sei der Weihnachtsmann und wolle irgendwelchen Kindern in ‘Berlin’ Geschenke bringen,” erklärte Heimdall. “Er hat weder Papiere noch scheint er überhaupt zu wissen, wo er sich befindet. Und dann dieses Gefährt und dessen Zugtiere … Mir erschien das alles so seltsam und gefährlich, dass ich einen Vorboten des Ragnarök nicht ausschließen konnte,” führte er weiter aus - “Nun gut, schauen wir uns das mal an,” murmelte Odin. Inzwischen war auch Thor weiter vor gestürmt: “Warum lange reden? Wir erschlagen ihn und schauen dann, was in den Säcken ist.” Drohend hob er seinen Hammer und wedelte damit herum. Dabei ballte er die Faust, als wolle er das Problem durch reines Muskelzittern lösen. Auch Loki hatte sich genähert: “Geschenke? Warum bekommen Götter keine Geschenke?” Er sagte das so laut, dass alle Anwesenden ihn hören konnten, und genoss das einsetzende Gemurmel der Zuschauer. “Seht ihr, alle wollen Geschenke.” Er grinste breit, als die Menge lachte.

“Halt ein, Loki, lasst uns erst klären, was hier überhaupt passiert ist,” sagte Odin und wandte sich dem Mann auf dem Schlitten zu, der sich nun auch erhebt und neben das Gefährt tritt. Jetzt wo sie sich direkt gegenüber stehen, fällt ihre Ähnlichkeit auf: Der Weihnachtsmann scheint ein genaues Abbild des Allvaters zu sein und würde dieser nicht seine Augenklappe und sein Gewand tragen, könnte man sie glatt verwechseln. Wie zwei riesige Zwillinge, der eine in seinem Wikingergewand und der andere im roten Mantel. Kurz wurde es still und selbst Thor senkte für einen Moment den Hammer vor Erstaunen.

“Ich will doch nur nach Berlin …,” stöhnte Klaus.


“O.k., zeig uns einfach deine Fracht, dann können wir entscheiden, was wir weiter machen.” “Aber das sind Geschenke für die Kinder …” “Das sagtest du bereits, aber wir müssen sehen, was du uns nach Asgard bringst.” So ging es hin und her und jedes Mal, wenn einer was von Geschenken sagte, war Loki dazwischen: “Hört, hört …” - endlich gab der Weihnachtsmann auf und resignierte: “O.k., ihr könnt einen Blick hinein werfen” und damit wuchtete er einen der großen Säcke vom Schlitten und stellte ihn neben Odin ab. Der löste den Strick, der ihn geschlossen hielt und sobald dieser gelöst war, sorgte der Druck des prall gefüllten Sackes dafür, dass der Inhalt hinaus quoll. Odin griff sich eine der obenauf liegenden Puppen, die ein wirres, fast dämonisches, Grinsen im Gesicht hatte: “Ein Labubu,” sagte der Weihnachtsmann. “Die Kinder stehen drauf, der absolute Renner dieses Jahr und echt nicht einfach zu bekommen; und wenn ich versehentlich die günstigeren Lafufus nehme, ist hinterher ein großes Geheule.” Odin wühlte weiter und beförderte weitere Spielzeuge, Puppen, Bücher und diverse ‘elektronische Geräte’ - so zumindest benannte der Weihnachtsmann sie - aus den Tiefen des Sackes hervor. Als Odin eine große Echse auspackte, begann diese plötzlich zu brüllen, als er ihren Bauch drückte - er warf sie erschrocken weit von sich und einer von Thors Söhnen fing sie auf.


Eine Armvoll Barbies warf er zur Freya und Sif und Freya empörte sich darüber, das diese Menschin mit ihrer Wespentaille und dem spitzen Busen wohl von einem Gott geschaffen worden sei, der noch nie eine echte Frau gesehen habe. Sif dagegen versucht direkt, einer der Figuren die langen Haare zu flechten.

Er griff nach einer Kiste, auf der kryptisch ‘X-Box’ zu lesen war, und riss sie auf; der Weihnachtsmann stöhnte auf. Darin befand sich - neben Pappe und Papier, ein kleiner Kasten, mehrere Stricke und ein paar ‘Dinger’, die er nicht mal benennen konnte. Er durchschnitt einen der Stricke und Thor musste den Weihnachtsmann zurückhalten, der ihn davon abhalten wollte: “Ihr macht das kaputt!” Im Strick waren metallene Fäden und als er Thor bat, mit seinem Hammer den Kasten zu zerschlagen, kam auch dort vor allem Metall und dieses Material zu Tage, dass die Menschen Kunststoff nannten - nur zum Spielen schien das Ding nicht zu taugen. “Erklär uns das,” blaffte er den Weihnachtsmann an, und Klaus holte aus: “Das ist ein Computerspiel. Wenn die Kinder es an einen Fernseher anschliessen, können sie darauf Welten sehen und sich in ihren bewegen und spielen. Hier,” er griff nach ein paar kleineren Paketen, “diese Scheiben nutzen sie, darauf sind die Daten.” Die Asen schauten ihn verständnislos an - was brabbelte er nur? Thor nahm eines der kleinen Pakete mit einem Bild eines Wikingers und las vor: “‘Assassin’s Creed Valhalla’ - Valhalla?”. Er riss es auf und eine silberne Scheibe purzelte heraus. “Ein Computerspiel, bei dem ein Krieger von Norwegen nach England flieht und dort als Krieger berühmt wird,” versuchte der Weihnachtsmann die Situation zu retten - “Aha,” sagte Odin und tat so, als würde er verstehen, während er gleichzeitig kreisende Bewegungen seines Zeigefingers vor seiner Stirn machte. 

Mehr und mehr Zeug kam aus dem Sack, Dinge, die der Weihnachtsmann als ‘Handys’ und ‘Smartphones’, ‘VR-Brillen’, ‘Tablets’ und anders benannte (Odin war bereits ganz verwirrt) und dann … ‘Actionfiguren’: Neben Puppen von seltsam gekleideten oder behaarten Wesen, die mit ‘Star Wars’ bezeichnet waren, und jungen Mädchen in Schachteln, auf denen “Blackpink” stand, auch die Götter Asgards: Thor, Loki und Odin in Plastik gegossen mit kleinen Äxten und Hämmern. Odin reichte sie herum und alle staunten darüber. Loki nahm seine eigene Figur in die Hand, betrachtete sie und grinste: „Das trifft mich nicht ganz – ich bin viel attraktiver.“ „Und warum hat dieser Thor so wenig Bart?“ fragte er seinen Ziehbruder lachend.


„Ein kleiner Windpropeller, der nichts bewirkt,“ fragte Heimdall, als Klaus versuchte, ihm einen Fidget-Spinner zu erklären, und ein paar andere Anwesende versuchten sich derweil daran, einen Zauberwürfel zu lösen. Odin kratzte sich im Bart, sah in den Sack und sagte schließlich: „Seltsame Dinge bringen die Menschen hervor – kleine Abbilder ihrer Götter, die sie dann in Kämpfe schicken; ‘virtuelle’ Welten, in denen sie sich in Schlachten stürzen, um dann doch wieder - wie die alten Krieger - nach Walhall zu kommen.“ Er hatte mittlerweile den Boden des Sackes erreicht und alle Spielsachen an die Schaulustigen verteilt, die sie mit großem Staunen und Neugier begutachteten. Nur der Weihnachtsmann seufzte leise: „Ich wollte doch nur nach Berlin …“


Auch die anderen Säcke enthielten weitere sonderbare Dinge und wurden nach und nach geleert und in der Menge verteilt. Immer wieder gab es lautes Geraune, wenn etwas Neues auftauchte - einige der Schaulustigen fuhren mit Skateboards, E-Rollern und Inlinern auf den Bifröst, und einer aus der Jugendclique hatte es sogar geschafft, eine Drohne mit den beigelegten Batterien zum Fliegen zu bringen. Klaus hatte aufgegeben, nach Berlin würde er wohl nicht mehr kommen und selbst wenn, hätte er gar nichts mehr zu verschenken: alles wurde unter der immer größeren Menge an Asen und Kriegern verteilt, die nun in Scharen kamen.

Hier herrschte allerdings echtes Interesse an dem Unbekannten, und zwar vor allem an all den Spielsachen, die nicht elektronisch waren - so blieben all die Smartphones und Spielkonsolen liegen, mit denen die Asen wenig anfangen konnten, während vor allem die Puppen und anderen echten Spielzeuge zu Freudenschreien und spontanen Spielereien führten. Er sah, wie sie mit all den Sachen spielten, die sie bis vor wenigen Minuten noch gar nicht kannten, und sah auch die Freude in den Augen über all das Zeug, dass in Berlin wahrscheinlich nur in eine Ecke auf einen Haufen mit anderen Spielsachen geflogen wäre. Er sah, dass er hier Menschen - erwachsene Götter und Krieger, glücklich machen konnte mit Puppen und Spielzeug; er sah Tränen der Freude und Überraschung - und er merkte, dass er selbst sich zunehmend darüber freute und sich fragte, warum er eigentlich nicht früher schon hier war. Und am Ende freute er sich so sehr, dass ihm Tränen aus den Augen quollen - nicht aus Ärger über den Verlust, sondern aus Freude an dem Spaß, den seine Sachen bereiteten. Er strahlte, atmete laut hörbar aus und rief danach voller Freude ein lautes “Ho - Ho - Ho”.


“Ho - Ho - Ho” - als Odin dies hörte, blickte er erschrocken von seinem Bluebrixx-Modell einer ‘Burg Blaustein’ auf, mit der er sich gerade beschäftigte und erinnerte sich wieder daran, worum es hier eigentlich ging. Er blickte zu dem Weihnachtsmann herüber, der sich mittlerweile den Bauch hielt vor Lachen und über das gesamte Gesicht strahlte; war er verrückt geworden?

Irritiert schaute Odin ihn an und blickte dann auf die Schar der Asen, die in ihren Spielereien vertieft waren. Er ging hinüber zu Klaus: “Ich glaube, wir müssen reden,” sagte er betroffen. “Ja, antwortete dieser, “lass uns reden.” “Das Ganze hier ist etwas eskaliert,” begann Odin - doch der Weihnachtsmann winkte ab: “Schwamm drüber, ich bin euch so dankbar. Endlich habe ich mal wieder erleben können, wofür ich meinen Job eigentlich mache. Eure Leute sind so glücklich über meine Geschenke, wie ich es auf der Erde seit Jahren nur noch selten gesehen habe. Zum ersten Mal seit Jahren sehe ich endlich mal wieder einen Sinn darin, den Schlitten zu fahren und die Geschenke zu verteilen.”



Er klopfte dem Asen auf die Schulter und sagte: “Ich danke dir, mein Freund.” Odin schaute irritiert und grinste dann breit: “Ich glaube, ich weiß, wie wir hier weiter kommen: Du darfst deine Waren nach Asgard einführen, aber nicht mehr hinaus bringen - nein, wir beschlagnahmen deine Geschenke, zumindest alles bis auf das elektronische Zeug nennt; damit können wir nichts anfangen.” “Ja, das hatte ich befürchtet - die Gören in Berlin werden dieses Jahr wohl leer ausgehen.” “Aber damit nicht genug: ich will, dass du von nun an jedes Jahr kommst, und einen Schlitten mit Spielzeug bringst. Du kannst ihn hier bei Heimdall abstellen, ich nehme ihn dann und verteile selbst die Geschenke in Asgard - sie können uns beide eh kaum auseinanderhalten. Ich glaube, es wird Zeit, dieses ‘Weihnachten’ auch bei uns einzuführen. Haben wir einen Deal?” Der Weihnachtsmann lachte weiter und schlug in die ausgestreckte Hand des Asen ein: “Ja, wir haben einen Deal. Ich komme gern im nächsten Jahr wieder. Das heißt, wenn ich den Rückweg finde.” Sie redeten weiter und zuletzt stieg der Weihnachtsmann wieder auf seinen Schlitten und nahm die Zügel in die Hand. “Eines noch,” setzte Odun an. “Warum feiert man dieses Weihnachten eigentlich?” “Keine Ahnung, ich mache nur meinen Job. Wahrscheinlich lieben die Menschen einfach Feste und Geschenke.” “Die Götter auch,” mischte sich Loki ein, der dabei einer Barbie die Haare kämmte. Und damit verabschiedete sich Klaus und steuerte seine Rentiere zurück auf den Bifröst.


Samstag, 29. November 2025

Die schwere Stunde

Sie brachten uns in einen abgedunkelten, fensterlosen und schwülwarmen Raum, in dem bereits mehrere Frauen und vereinzelt auch Männer saßen. Wir hörten Schreie aus einem der Nebenzimmer - scharfe Schreie, unterbrochen von lauten und stoßweisen Atemzügen, denen man den in ihnen liegenden Schmerz und die Arbeit anhörte - dann wieder ein Schrei und durch die Wände gedämpfte Rufe, treibend und fordernd. Die Frauen in unserem Raum wirkten gelassen bis interessiert, den anwesenden Männern sah man ihre Anspannung und das Gefühl, hier nicht ganz richtig zu sein, an, wie Statisten am falschen Filmset. Wieder das stoßweise Atmen auf dem Flur, danach ein weiterer gepresster Schrei. Ich kann nicht sagen, wie lang das ging - Schreie, Atmen, Pressen, Rufe - , über Minuten, vielleicht Stunden, bis man irgendwann jedes Gefühl für Zeit verlor.

Dann herrschte plötzlich nach einem erneuten lauten und finalen Schrei vollständige Ruhe. Der jungen Frau auf der anderen Seite unseres Raumes mit dem schlichten Kopftuch und dem wahrscheinlich viel zu warmen Umhang über ihren aufgetriebenen Bauch, ging ein Lächeln über den Mund. Die ältere Frau, wahrscheinlich ihre Mutter, sprach sie leise auf türkisch oder arabisch an. Ich wechselte einen Blick mit meiner Frau, die ebenfalls lächelte und dabei ihren Bauch rieb. Sie wusste, sie wird in ein paar Tagen, vielleicht schon morgen, selbst in einem der Zimmer liegen und schreien - und sie freute sich darauf. Nachdem die Schreie verklungen waren, war noch kurz das kräftige Krähen eines Säuglings zu hören, danach wieder gedämpfte Stimmen und offensichtliche Betriebsamkeit. Eine Frau in Schwesternkleidung rannte an unserer Tür vorbei in einen anderen Raum, dann wieder Stille.

Es dauerte noch einige Zeit, bis erst die junge Frau mit ihrer Mutter und dann auch wir abgeholt wurden. Sandra wurde auf eine Liege gelegt und eine Schwester schmierte ihren riesigen Bauch mit einem kalten Gel ein, so dass sie unwillkürlich zusammenzuckte. Sie legten Gurte mit den Sensoren für den Wehenschreiber an. Augenblicke später erfüllte das schlurfende Geräusch des Apparats den Raum, durchzogen von dem regelmäßigen Herzton der Ungeborenen, während das Gerät seine zackigen Kurven auf Papier schrieb. Danach kam eine Ärztin und drückte den breiten Sensor des Ultraschallgerätes an ihren Bauch. Auf dem Bildschirm war der Fötus in seiner dunklen Fruchtblase zu sehen. Alles war in Ordnung, das Kind lag ruhig und kopfüber in seiner Höhle und machte regelmäßige Atembewegungen. Die Herztöne waren perfekt; noch gab es keine Panik, noch drängte es nicht, den warmen Schutz im Inneren meiner Frau zu verlassen. Sandras Blick war verträumt zum Bildschirm gerichtet, ich hielt ihre Hand– was hätte ich auch sonst tun können. Nach einigen weiteren Untersuchungen teilte uns die Ärztin mit, dass es bereits schwache Wehen gäbe und der Muttermund bereits weicher wurde: “Wahrscheinlich wird ihr Kind morgen zur Welt kommen,” sagte sie sachlich und zugleich zärtlich.

Ich fuhr nach Hause, denn da gab es ja doch noch einiges zu tun - immerhin gab es ja einige Geschwister, die wir zwar eine Zeitlang allein lassen konnten, die letztlich aber auch noch was zu essen brauchten - und vor allem wissen wollten, wie es ihrer Mutter ging. Sandra war in guter Obhut  in der Klinik und man würde mir schon Bescheid geben, wenn es losgeht. Für den Fall waren auch unsere Freunde informiert, die dann zumindest die beiden jüngeren Kinder zu sich nehmen wollten; die verteilten wir entsprechend direkt. Am Abend ging ich dann normal schlafen, das Handy direkt neben mir auf dem Nachtschrank - und um 2:00 Uhr am nächsten Morgen ging es dann auch los: “Komm sofort ins Krankenhaus, schnell,” brüllte Sandra mich durchs Telefon an. “Sie kommt …,” und dann wurde sie von einer Wehe unterbrochen. Ich versicherte ihr, dass ich mich losmachen und beeilen werde, in einer halben Stunde sollte ich da sein - die Straßen waren ja frei. Ich weckte den Großen und sagte ihm, dass ich ins Krankenhaus fahre und er sich um die anderen kümmern sollte. Dann stürmte ich auch schon los. Nun war es nicht die erste Geburt, die wir gemeinsam durchmachten, aber es war auch nicht Routine genug, als dass ich nicht nervös und aufgeregt war. Als ich in den Kreißsaal kam, wurde ich auch direkt erwartet und zu meiner Frau geführt, die bereits auf die Niederkunft vorbereitet war. “Die Wehen kommen regelmäßig," teilte mir die Hebamme mit, “aber es wird auch noch etwas dauern.” Weil die Wehen noch zu schwach waren, hatten sie meine Frau an einen Tropf angeschlossen, der die natürlichen Wehen durch zusätzliche Gabe von Oxytocin unterstützen sollte; auch das kannte ich von der letzten Geburt, bei der die natürlichen Wehen über die Zeit nachgelassen hatten. Das Oxytocin sorgte allerdings tatsächlich für sehr starke Wehen und so bog sich Sandra alle paar Minuten unter Schmerzen, bis sie schließlich so schnell hintereinander kamen, dass die eigentliche Geburt eingeleitet wurde. 

“Was im Kreißsaal und unter der Geburt passiert und gesagt wird, bleibt im Kreißsaal,” sagte mir die Hebamme und so möchte ich es auch halten. So viel nur: Das Kind kam unter enormen Kraftanstrengungen und Schmerzen auf die Welt und mein Job war vor allem, meiner Frau mit enormem Kraftaufwand die Beine zu spreizen und sie so zu unterstützen. Sobald wir den kleinen Kopf zwischen den gespreizten Beinen erkennen konnten, und dieser kurz darauf auch heraustrat, nahm die enorme Anspannung fast schlagartig ab und der Rest des kleinen Körpers kam direkt hinterher. Um 3:47 Uhr war sie da, 4,6 Kilo schwer - ein echter Klopper. “Die Nase, die Nase, sie sollen sich die Nase ansehen,” rief meine Frau geschwächt und in Erinnerung an Komplikationen bei der Geburt unseres Sohnes; Schon hatten die Hebammen das Kind genommen und untersuchten es bereits. Der erste Schrei und damit die Gewissheit, dass das Kind Luft bekam und Atmen konnte, kam kurz darauf. Was blieb, waren Blut, Schweiß, Kot und Urin - und doch zeugte all dies von einem der schönsten und intimsten Erlebnisse, die wir gemeinsam hatten. Sobald meine Frau das noch käsige und blutige Bündel auf ihrem Bauch spürte und ich mit der Schere die letzte Verbindung zwischen ihr und ihrer Tochter getrennt hatte, waren alle Schmerzen, all die Kraftanstrengungen und alle Leiden der letzten Stunden vergessen - und wir beide waren glücklich. Geschafft; Ich nahm beide in den Arm und wir genossen diesen ersten wunderschönen Moment mit unserer gemeinsamen Tochter, die wir mit dem bereits vorher gewählten Namen Freya Nour ansprachen.

Freya Nour, geboren am 29. November 2016

Die Geburt war natürlich nur der Start für das neue Leben, wenn auch sicher der prägendste und intimste Moment.  Freya ist die Jüngste von sechs und heute ist sie neun Jahre alt. Wie alle unsere Kinder lieben wir sie abgöttisch und genießen jeden Tag, den wir mit unseren Kindern haben - auch wenn sie ebenso wie alle anderen gelegentlich an unseren Nerven zerrt. Und damit soll diese Erzählung von ihrer Geburt auch ein Ende haben, über alles andere können andere Geschichten berichten.

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Dieser Text entstand kurz vor dem neunten Geburtstag meiner Tochter. Ich wollte darin die Erinnerung an ihre Geburt einfangen - so, wie ich sie als Vater erlebt habe. Der Titel ist inspiriert durch den Namen eines Gemäldes von Charlotte Berend-Corinth, die wohl eine der ersten war, die die Intensität einer Geburt in ihrer unverblümten Härte dargestellt und öffentlich präsentiert hat. Das Bild gilt als verschollen, es gibt nur noch eine alte Fotografie und eine Ölskizze davon.

Charlotte Berend-Corinth: Die schwere Stunde, Ölskizze von 1908


Samstag, 22. November 2025

Wann ist eigentlich mein Internet gestorben?

Das Internet ist tot, oder?

In ihrer Late-Night-Show thematisierte Sandra Bosetti letztens das Thema Künstliche Intelligenz und macht in dem sehenswerten Beitrag einen Schwenk ins Internet. Der Titel: Wer hat das Internet geklaut? Ihre These: Das Internet, wie es eigentlich mal gedacht war, ist tot - stattdessen besteht das Netz heute aus lauter Echokammern, die sich als soziale Netzwerke tarnen und letztlich a-sozial sind.

Sandra Bosetti fragt: "Wer hat das Internet geklaut?"

Sie ist mit dieser These nicht allein und immer wieder poppen Artikel, Videos, Reportagen zum Thema auf. Zuletzt stellte etwa Der dunkle Parabelritter die Frage: Was sind eigentlich eure Hobbies und proklamiert die "Generation Hobbylos". Ohne eine wirkliche Datenerhebung zu machen, reicht es wahtscheinlich, mal mein eigenes Verhalten im Internet zu reflektieren. Und ohne zu spoilern: das Ergebnis ist ernüchternd.

Vorweg: Ich habe Hobbies - einige sogar: ich spiele analoge Brett- und Kartenspiele, ich lese Bücher, ich schreibe Texte (mittlerweile auch Geschichten), ich habe Freunde und treffe sie auch, ich habe Familie, und ein entsprechendes Familienleben ich höre Musik und ich liebe es, für Wikipedia zu recherchieren und zu schreiben ... insofern fühle ich mich natürlich vom Parabelrittr nur peripher angesprochen. Aber ja, auch ich konsumiere Streamingdienste und das Internet und - die beiden bisherigen Links beweisen es - bewege mich durch youtube und schaue mir dort regelmässig passiv Videos an.

Zurück also zu der eingangs von Bosetti gestellten Frage: Wer hat das Internet geklaut? 

Ich springe mal zurück in die Zeit, als ich meine ersten Schritte im Netz gemacht habe. Wir schreiben das Jahr 1995, als ich meinen ersten Internetaccount über die Uni aktiviert habe. A whole new world! - es gab noch kein facebook, kein youtube und auch keine Wikipedia - es gab Websites, über die man surfen konnte und Linklisten, derer man sich dafür bediente. Ich fand Inhalte zu allen möglichen und unmöglichen Themen - in der Regel auf einfach gestalteten Websites. Ich war damals auch auf vielen privaten Seiten unterwegs, auf denen Dinge passierten. Ich erinnere mich dabei auch gut an meine ersten Schritte als Autor kreativer Texte - vor allem auf den Websites einer Autorin, die sich Die Zauberfee nannte, und im Drachental des Moordrachen; beide gibt es sogar noch - das Zauberbuch der Zauberfee mit ihrem Netzroman Die Perlen von Caala-Elen ebenso wie Die magische Welt von Íja Macár - wühlt man dort ein wenig herum, findet man sogar meine Spuren. Die erste Begegnung etwa, oder die Drachenmagie sind Splitter, die ich in Caala-Elen hinterlassen habe, und es gab sogar Besuch aus der Hölle:

Er brach Onnaro das Genick und schleuderte ihn in eine Ecke, die sich, wie auch das gesamte Gebäude, augenblicklich auflöste. 

Im Drachental versuchte ich mich an dem Schwarzkraken und der Muttermuschel Muna-El sowie dem magischen Gen. Parallel fand man mich im spinchat, wo ich mir mit meinem Charakter Necrophorus ein Eckchen im Dark Chat eingerichtet hatte. Ich war auch dort kreativ unterwegs und der Raum war nichts anderes als ein Rollenspiel mit Grufticharakteren. Ich fand weitere Projekte wie die Plattform clickfish.com, 2002 gestorben, auf der ich als Guide für biologische Themen und Heavy Metal unterwegs war, und expertenseite.de, eine perfekte Seite für Klugscheißer. 2003 startete dann auch meine "Karriere" in der deutschsprachigen Wikipedia - damals noch ein nischiges Nerdprodukt, auf dem man sich austoben konnte. Nun, dort hänge ich noch heute fest - mit Leib und Seele.

Der schreibende Götz von Berlichingen, seit Jahren mein Bnutzerbild in der Wikipedia


Und sonst: Tatsächlich springe ich viel rum im Netz - aber heute fast ausschließlich getrieben über die Google-Suche, wenn ich nach bestimmten Themen Ausschau halte. Linklisten und private Websites kommen in meinem Internetverhalten heute so gut wie gar nicht mehr vor. Ich nutze facebook zur privaten Vernetzung, whatsApp zur Kommunikation, wühle mich durch youtube und Instagram ... die wenigen alternativen Seiten, die ich noch regelmässig ansteuere, sind das kingwiki, cover.info (bei beiden bin ich auch aktiv als Autor bzw. Redakteur) oder boardgamegeek - abseits davon wird es dünn.

Ist mein Internet gestorben? - ich würde es nicht bejahen, aber wohl auch nicht verneinen. Ich glaube aber, dass es Zeit wird, mal wieder durchs Internet zu surfen und auch verborgenere Ecken auszuloten. Wer ist dabei?

Back to Mixtape - In Hell, I'll Be in Good Company (The Dead South)

Und noch ein Beitrag aus meinem Zweitblog zum Thema: Back to Mitape hinterher. So wahnsinnig viele werden nicht mehr kommen, aber ich habe vor, diese Serie hier fortzuführen und vor allem durch Coverversionen zu ergänzen, die mir interessant erscheinen - es bleibt als subjektiv ....

In Hell, I'll Be in Good Company - ein Song, der so heisst, muss und will gehört werden; und das lohnt sich. Nach einem eingängigen Intro aus Pfeifen und Bassbegleitung folgt ein Hybrid aus Bluegrass- und Folk(rock), der vor allem bei youtube seine Fans fand. Das offizielle Video wurde dort bi heute fast 260 Millionen mal abgerufen und entwickelte auch ein Eigenleben: zahlreiche Fans drehten ihre eigene Version des Videos und luden sie hoch.


Das Lied erschien 2014 auf dem Debutalbum der kanadischen Band The Dead South, Good Company, bei dem Label Devil Duck Records. Die Band startete als Liveband und spielte nach eigenen Aussagen als "rockin' stompin' bluegrass band", wobei sie häufig satirische Texte zu rock-angehauchter Folkmusik produzierte. Good Company enthält dabei einige Perlen und ist als Gesamtalbum nicht zu verachten - was auch auf die beiden Folge-Alben Illusion & Doubt und Sugar & Joy zutrifft. Sie selbst bezeichnen sich ironisch als die bösen Zwillinge von Mumford & Son.

Einer der größten Fans des Titels ist übrigens William Shattner, der als Darsteller von Captain Kirk im Raumschiff Enterprise bekannt wurde. Shattner ist auch Musiker und veröffentlichte 2020 sein Album The Blues, auf dem er zahlreiche Blues(rock)-Klassiker neu interpretiert. Hier reiht er In Hell, I'll Be in Good Company als jüngsten Titel neben Klassikern wie Sweet Home AlabamaRoute 66 oder Mannish Boy ein und setzt ihm ein frühes musikalisches Denkmal.


Eine weitere spannende Coverversion stammt von Leo Moracchioli, der sich mit Metal-Coverversionen auf youtube einen Namen gemacht hat. Auf seinem youtube-Kanal finden sich regelmässig spannende neue alte Titel, die er kreativ umsetzt.



Mehr Infos:

Back to Mixtape - Hate is a 4-letter Word (Shock Therapy)

Wie angekündigt hole ich ein paar ältere Beiträge aus meinem Zweitblog zum Thema: Back to Mitape hierher - hier wäre der nächste, auch dieser nur leicht bearbeitet:

1985 erschien in den USA ein Mini-Album der bis dahin unbekannten Band Shock Therapy das nach dem Bandnamen entsprechend auch Shock Therapy hiess. Die Band wurde 1982 von Gregory John McCormick and Eric Keith Jackson gegründet und bewegte sich im Bereich des Post-Punk-Minimalismus und und der Elektronischer Popmusik - dem Bereich, der später als Elektropunk Vorläufer der EBM-Musik werden sollte. Unter den sieben Titeln des Debüts befand sich mit Hate is a 4-letter Word ein Song, der mit seiner Länge von mehr als sechs Minuten zu einem der bekanntesten Clubhits der Schwarzen Szene avancieren sollte.

Zunächst blieb Shock Therapy allerdings ein Insider vor allem in der Indie-Szene. Vor allem die College-Radios spielten den Song in Heavy Rotation und brachten ihn so an die Zielgruppe, in der Folge konnte die Band vor einem stetig wachsenden Publikum spielen. 

Nach der Veröffentlichung des zweiten Albums My Unshakable Blues kamen sie auch nach Deutschland und 1991 übernahm das deutsche Label Dossier die Band und veröffentlichte das nunmehr fünfte Album The Great Confuser sowie im gleichen Jahr auch Hate is a 4-letter Word als Neuauflage des Debüts, angereichert mit ein paar weiteren Songs der Bands. Der Titelsong wurde nun auch in Deutschland bekannt und verbreitete sich als Clubhit vor allem in der Schwarzen Szene, wo Gothics und EBM-Fans gleichermassen auf den prägnanten Stampfsound mit Piano-Begleitung abtanzten und dabei die sich immer wiederholende Titelzeile intonierten.


Shock Therapy hatten es in die imaginäre Hall of Fame geschafft und veröffentlichten bei Dossier weitere Alben in ständig wechselnder Besetzung, Hate is a 4-letter Word sollte jedoch ihr bekanntester Song bleiben. Im Jahr 2000 wurde McCormick allerdings inhaftiert und blieb sieben Jahre im Gefängnis, wodurch auch die Band ruhte. Nach seiner Entlassung arbeitete er an neuem Material, starb jedoch 2008 vor der Veröffentlichung.

1994 veröffentlichte die Thrash-Metal-Band Holy Moses eine Metalversion von Hate is a 4-letter Word, im Synth-Rock und Gothic-Bereich wurden es von Terminal ChoiceL'Âme Immortelle und weiteren Bands gecovert.




Sonntag, 9. November 2025

An meine Eltern - Zwei sehr persönliche Nachrufe

Diese Worte vorweg als Warnung an potenzielle Leser:

Es folgen die beiden schwersten und emotionalsten Texte, die ich je geschrieben habe. Es handelt sich um die Nachrufe auf meine Eltern - meinen Vater Wolfgang, verstorben 2021, und meine Mutter Monika, verstorben vor wenigen Monaten im August 2025. Ich schrieb beide Texte für die offiziellen Trauerfeiern und sie wurden bei den Begräbnissen in der Kirche verlesen - einmal von meinem Schwager und einmal von mir selbst. Ich möchte sie nun auch öffentlich teilen.


An meinen Vater, Wolfgang Raschka

“Hast du Angst vor dem Tod”, fragte der kleine Prinz die Rose. Darauf antwortete sie: “Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt soviel ich konnte. Und Liebe, tausendfach verschenkt, kehrt wieder zurück zu dem, der sie gegeben.”

 

Unser Vater, Wolfgang Raschka, wird dieses Zitat aus einem meiner Lieblingsbücher meiner, Achims, Jugend nicht gekannt haben – es stammt aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von dem französischen Autor Antoine de Saint-Exupéry; eines der Bücher, zu denen er früher häufig sagte, ich solle sie weglegen und mir “eine vernünftige Beschäftigung” suchen. Dennoch passt dieses Zitat doch so gut zu ihm, der im Leben alle seine Kräfte für die Menschen aufgebracht und zuletzt auch aufgebraucht hat, die er liebte: seine Frau, seine Kinder und seine Enkel und Enkelinnen, seine Freunde, Nachbarn und Kollegen – und für sein Haus, seinen Garten, seine LKWs.

 

Wolfgang kam im Dezember 1946 zur Welt, ein Jahr nach dem zweiten Weltkrieg. Er war der älteste Sohn in einer kinderreichen Familie und er lernte seine spätere Frau und unsere Mutter Monika wohl schon im Sandkasten kennen, wo sie ihm die Schüppchen klaute und dabei schöne Augen machte; es dauerte aber bis in den März 1970, bis beide gemeinsam vor dem Traualtar standen. Sieben Monate später kam mit mir, Achim,  im Oktober der erste Nachwuchs. Über die Jahre folgten nach und nach vier weitere Kinder  – erst Manuela, dann Markus, Stefan und schließlich Angelika. Unsere Eltern hatte es in den frühen 1970ern von Hemer nach Lippstadt gezogen, wo wir erst in Lipperbruch und später in Dedinghausen aufwuchsen. Unser Vater war zu der Zeit Kraftfahrer mit Leidenschaft, 1975 hatte er bei der damals noch kleinen Spedition Friedrich Biermann in Oestereiden als Fahrer begonnen und blieb dem stetig wachsenden Unternehmen treu, bis er aus gesundheitlichen Gründen aussteigen musste. Ab und an durften wir ihn auch mal begleiten auf einer seiner Touren - für uns immer ein riesiges Abenteuer.

Er hatte ein erfülltes Leben inmitten seiner immer größer werdenden Familie. 1996 wurde er zum ersten Mal Opa (und musste ab dem Zeitpunkt, um ihn zu zitieren, sein Bett “mit einer Oma teilen”), aber das sollte nicht das letzte Mal bleiben. Über die Jahre kamen immer mehr Enkel und Enkelinnen hinzu, insgesamt wurden es bis zu seinem Tod 14, dabei wurde der jüngste, Marlon, erst 2019 geboren. Während der ganzen Zeit galt das folgende Motto, entnommen aus einem Lied des Trucker-Sängers Tom Astor, den er sehr schätzte:

 

Ich weiß, mit mir zu leben Ist manchmal ziemlich schwer.

Ich frag' mich oft, wo nimmst du dafür die Kraft noch her.

Ich hab es dir noch nie gesagt, doch ich weiß genau, 

Ein Mann ist nur ein starker Mann

mit einer starken Frau. 

 

Und durch diese Stärke gefestigt konnten beide, Wolfgang und Monika,  im letzten Jahr, im März 2020, ihre Goldene Hochzeit begehen. 50 Jahre – oder wie es ein anderer seiner Lieblingssänger, Johnny Hill, frei nach Teddybär 1-4 ausdrücken würde: „50 mal die Straße runter und 50 mal auch wieder rauf …“, hielten beide aneinander fest, auch wenn es vor allem bei Wolfgang mit der Gesundheit leider immer deutlicher bergab ging. 
Ein weiteres Jahr blieb Ihnen noch, bis er zu Hause und bei seiner Frau seinen letzten Atemzug nahm und dann friedlich entschlief, während aus den Lautsprechern seine Schlagermusik säuselte. 

Ich schrieb zuletzt, dass ich viele Erinnerungen an meinen Vater habe, viele schöne und auch viele anstrengende. Er war ein anständiger, bodenständiger und meinungsstarker Mann und vertrat seine Ansichten bis weit in seine letzte Lebensphase hinein. Seine Positionen waren dabei nicht immer die unseren und das war auch gut so. Diskussionen mit ihm haben uns nicht selten geärgert und zugleich geerdet und auf den Boden zurückgeholt. Wir waren uns immer so verschieden, lebten in unterschiedlichen Welten  – und sind uns dann doch wieder so gleich.

Das ging uns allen so, unsere Eltern waren uns immer ein Anker im Leben und werden es immer bleiben. Immer, wenn es schwierig wurde, waren sie für uns da – sei es, weil wir im jugendlichen Eifer mal über die Stränge geschlagen sind, wie Markus es sicher für das ein oder andere Mal berichten kann, oder sei es, wenn ich im Tagtraum übersehen hatte, dass das Fahrzeug vor mir auf die Bremse gegangen war und ich sauber drauf fuhr. Unser Vater hat uns alle geliebt – man sah es an seinen Augen, die selbst beim „Böse gucken“ immer freundlich blieben. Er pflegte seinen Ruf als „Grummel“ bis zuletzt, aber letztendlich war er …Papa, den wir so auch immer in Erinnerung halten werden.

Und so endet dieser Trauerbrief nochmal mit einem Zitat eines Autors, den er wahrscheinlich ebenfalls nicht kannte, der aber ganz gut passt:

„Du bist nicht mehr dort, wo du warst. Aber du bist überall, wo wir sind.“ (Victor Hugo)


An meine Mutter, Monika Raschka

“Hast du Angst vor dem Tod”, fragte der kleine Prinz die Rose. Darauf antwortete sie: “Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt soviel ich konnte. Und Liebe, tausendfach verschenkt, kehrt wieder zurück zu dem, der sie gegeben.”


Mit diesem Zitat aus dem Roman „Der kleine Prinz“ von dem französischen Autor Antoine de Saint-Exupéry, haben wir uns vor wenigen Jahren von unserem Vater verabschiedet und tun dies nun auch von unserer Mutter und Oma, Monika Raschka. Als er eine Woche vor Ostern im Jahr 2021 verstarb, brach für sie eine Welt zusammen und es fiel ihr sehr schwer, diesen Verlust zu akzeptieren; es gelang ihr jedoch, ihr eigenes Leben weiterzuführen, ohne je ganz loszulassen. Nun, etwas mehr als vier Jahre später, folgt sie ihm und wird nun - so wünschen wir es ihr - auf ewig mit ihm verbunden sein. Dieses Zitat hatten wir gewählt, weil es so gut zu ihm passte - und zu ihr passt es nicht minder: Sie hat all ihre Kraft für die Menschen um sie herum aufgebracht und zuletzt auch aufgebraucht, die sie liebte; neben ihrem verstorbenen Mann ganz besonders für uns, für ihre Kinder und ihre Enkel, Enkelinnen und ihrer Ur-Enkelin, sowie für ihre Freunde und Nachbarn.


Im Oktober 2023 durfte sie ihre erste Urenkelin Elaine in den Arm nehmen und noch vor wenigen Wochen war sie bei der Hochzeit von Marvin und Kayleigh zugegen und hat mit uns und ihnen gelacht, gegessen und vor Freude gestrahlt. Natürlich war sie von ihrer Krankheit gezeichnet, aber voll Stolz und Freude, dass sie diesen Augenblick noch erleben und mit uns feiern konnte. Dies war ihr letzter großer Wunsch, der ihr erfüllt wurde, und sie ein wenig glücklicher und zuversichtlicher in die eigene Zukunft und die ihrer Liebsten, ihrer Familie,  blicken ließ.


„Denke an all das Schöne, was in dir selbst und dich herum wächst und sei glücklich!“ (Anne Frank)


Wir blicken zurück auf ihr Leben: Monika, für uns immer Mama oder Oma, lernte ihren späteren Ehemann und unseren Vater Wolfgang wohl schon im Sandkasten kennen, wo sie ihm die Schüppchen und Förmchen klaute und dabei schöne Augen machte; es dauerte aber bis in den März 1970, bis beide gemeinsam vor dem Traualtar standen. Sieben Monate später kam mit Achim der erste Nachwuchs und über die Jahre folgten nach und nach vier weitere Kinder  – erst Manuela, dann Markus, Stefan und schließlich Angelika. Unsere Eltern hat es in den frühen 1970ern von Hemer nach Lippstadt zu ihren Eltern gezogen, wo wir erst in Lipperbruch und später in Dedinghausen aufwuchsen. Unsere Mutter war über all die Jahre bei uns und widmete uns ihre gesamte Kraft, auch wenn das nicht immer einfach war. Erst als die Kinder älter waren, suchte sie sich einen neuen Einstieg ins Berufsleben, erst als Putzfrau in Lippstadts legendärer Disko “Ku” und in der Marienschule und später in der Produktion des Unternehmens Schiffer. Sie war immer bodenständig und bescheiden, zugleich aber auch ambitioniert und pragmatisch - so machte sie als Schichtführerin bei der Arbeit sogar einen Gabelstaplerführerschein, um bei ihrer Arbeit unabhängiger “von den Männern” zu sein.


Mit unserem Vater hatte sie ein erfülltes Leben inmitten ihrer immer größer werdenden Familie. 1996 wurden sie zum ersten Mal Großeltern, aber das sollte nicht das letzte Mal bleiben. Über die Jahre kamen immer mehr Enkel und Enkelinnen hinzu, insgesamt wurden es bis zu ihrem Tod 15, dabei wurde der jüngste, Marian, erst 2021 geboren. Im Oktober 2023 gesellt sich mit Elaine die erste Urenkelin hinzu und auch sie wird nicht die letzte bleiben …


„Familie ist wie ein Baum – die Wurzeln bleiben, egal, wie weit die Äste auch auseinandergehen.“


Durch ihre Stärke gefestigt konnten beide, Wolfgang und Monika, im März 2020 ihre gemeinsame goldene Hochzeit begehen. 50 Jahre hielten beide aneinander fest, auch wenn es vor allem bei Wolfgang mit der Gesundheit leider immer deutlicher bergab ging. Ein Jahr blieb ihnen noch, bis er zu Hause und bei seiner Frau seinen letzten Atemzug nahm und friedlich entschlief. Nun bist auch du für immer eingeschlafen und deine Asche wird zu der seinen gestellt in einer von dir geschaffenen gemeinsamen Nische und neuen Heimat für unsere Erinnerungen an euch beide.


Aber du bleibst, ihr bleibt! Ihr werdet immer einen Platz haben in unseren Gedanken und Erinnerungen, in unseren Plänen für die Zukunft und in unseren Rückblicken auf Vergangenes. Und auch wir bleiben, eure Familie, die ihr beide so fest zusammen geschweisst habt, dass wir bis heute und auch in Zukunft ohne Streit und im festen Vertrauen aufeinander und miteinander umgehen - trotz all und vor allem wegen unserer individuellen und unterschiedlichen Eigenschaften, Stärken und auch Schwächen.

Wir alle, die wir heute hier sind, wurden und werden zusammengehalten durch eure Liebe, euer Vertrauen und eure Arbeit; und nun auch durch die gemeinsame Erinnerung an euch beide. Wir werden auch in Zukunft über und sicher auch häufig mit euch reden, in Gedanken und auch direkt an eurem Grab.

Und so nehmen wir heute Abschied in dem sicheren Wissen, dass eure Spuren in uns weiterleben – in jedem Lachen, in jeder umarmenden Geste, in jedem Familienmoment, den wir teilen. Denn, wie Johann Wolfgang von Goethe es sagte:

„Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man nicht durch den Tod verlieren.“


Bei uns kommt Lemmy

  Ich möchte euch etwas erzählen – über uns, also über mich und meine Familie und über unsere Weihnachtszeit. Ihr kennt diese Zeit im Jahr j...