Sonntag, 9. November 2025

An meine Eltern - Zwei sehr persönliche Nachrufe

Diese Worte vorweg als Warnung an potenzielle Leser:

Es folgen die beiden schwersten und emotionalsten Texte, die ich je geschrieben habe. Es handelt sich um die Nachrufe auf meine Eltern - meinen Vater Wolfgang, verstorben 2021, und meine Mutter Monika, verstorben vor wenigen Monaten im August 2025. Ich schrieb beide Texte für die offiziellen Trauerfeiern und sie wurden bei den Begräbnissen in der Kirche verlesen - einmal von meinem Schwager und einmal von mir selbst. Ich möchte sie nun auch öffentlich teilen.


An meinen Vater, Wolfgang Raschka

“Hast du Angst vor dem Tod”, fragte der kleine Prinz die Rose. Darauf antwortete sie: “Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt soviel ich konnte. Und Liebe, tausendfach verschenkt, kehrt wieder zurück zu dem, der sie gegeben.”

 

Unser Vater, Wolfgang Raschka, wird dieses Zitat aus einem meiner Lieblingsbücher meiner, Achims, Jugend nicht gekannt haben – es stammt aus dem Buch „Der kleine Prinz“ von dem französischen Autor Antoine de Saint-Exupéry; eines der Bücher, zu denen er früher häufig sagte, ich solle sie weglegen und mir “eine vernünftige Beschäftigung” suchen. Dennoch passt dieses Zitat doch so gut zu ihm, der im Leben alle seine Kräfte für die Menschen aufgebracht und zuletzt auch aufgebraucht hat, die er liebte: seine Frau, seine Kinder und seine Enkel und Enkelinnen, seine Freunde, Nachbarn und Kollegen – und für sein Haus, seinen Garten, seine LKWs.

 

Wolfgang kam im Dezember 1946 zur Welt, ein Jahr nach dem zweiten Weltkrieg. Er war der älteste Sohn in einer kinderreichen Familie und er lernte seine spätere Frau und unsere Mutter Monika wohl schon im Sandkasten kennen, wo sie ihm die Schüppchen klaute und dabei schöne Augen machte; es dauerte aber bis in den März 1970, bis beide gemeinsam vor dem Traualtar standen. Sieben Monate später kam mit mir, Achim,  im Oktober der erste Nachwuchs. Über die Jahre folgten nach und nach vier weitere Kinder  – erst Manuela, dann Markus, Stefan und schließlich Angelika. Unsere Eltern hatte es in den frühen 1970ern von Hemer nach Lippstadt gezogen, wo wir erst in Lipperbruch und später in Dedinghausen aufwuchsen. Unser Vater war zu der Zeit Kraftfahrer mit Leidenschaft, 1975 hatte er bei der damals noch kleinen Spedition Friedrich Biermann in Oestereiden als Fahrer begonnen und blieb dem stetig wachsenden Unternehmen treu, bis er aus gesundheitlichen Gründen aussteigen musste. Ab und an durften wir ihn auch mal begleiten auf einer seiner Touren - für uns immer ein riesiges Abenteuer.

Er hatte ein erfülltes Leben inmitten seiner immer größer werdenden Familie. 1996 wurde er zum ersten Mal Opa (und musste ab dem Zeitpunkt, um ihn zu zitieren, sein Bett “mit einer Oma teilen”), aber das sollte nicht das letzte Mal bleiben. Über die Jahre kamen immer mehr Enkel und Enkelinnen hinzu, insgesamt wurden es bis zu seinem Tod 14, dabei wurde der jüngste, Marlon, erst 2019 geboren. Während der ganzen Zeit galt das folgende Motto, entnommen aus einem Lied des Trucker-Sängers Tom Astor, den er sehr schätzte:

 

Ich weiß, mit mir zu leben Ist manchmal ziemlich schwer.

Ich frag' mich oft, wo nimmst du dafür die Kraft noch her.

Ich hab es dir noch nie gesagt, doch ich weiß genau, 

Ein Mann ist nur ein starker Mann

mit einer starken Frau. 

 

Und durch diese Stärke gefestigt konnten beide, Wolfgang und Monika,  im letzten Jahr, im März 2020, ihre Goldene Hochzeit begehen. 50 Jahre – oder wie es ein anderer seiner Lieblingssänger, Johnny Hill, frei nach Teddybär 1-4 ausdrücken würde: „50 mal die Straße runter und 50 mal auch wieder rauf …“, hielten beide aneinander fest, auch wenn es vor allem bei Wolfgang mit der Gesundheit leider immer deutlicher bergab ging. 
Ein weiteres Jahr blieb Ihnen noch, bis er zu Hause und bei seiner Frau seinen letzten Atemzug nahm und dann friedlich entschlief, während aus den Lautsprechern seine Schlagermusik säuselte. 

Ich schrieb zuletzt, dass ich viele Erinnerungen an meinen Vater habe, viele schöne und auch viele anstrengende. Er war ein anständiger, bodenständiger und meinungsstarker Mann und vertrat seine Ansichten bis weit in seine letzte Lebensphase hinein. Seine Positionen waren dabei nicht immer die unseren und das war auch gut so. Diskussionen mit ihm haben uns nicht selten geärgert und zugleich geerdet und auf den Boden zurückgeholt. Wir waren uns immer so verschieden, lebten in unterschiedlichen Welten  – und sind uns dann doch wieder so gleich.

Das ging uns allen so, unsere Eltern waren uns immer ein Anker im Leben und werden es immer bleiben. Immer, wenn es schwierig wurde, waren sie für uns da – sei es, weil wir im jugendlichen Eifer mal über die Stränge geschlagen sind, wie Markus es sicher für das ein oder andere Mal berichten kann, oder sei es, wenn ich im Tagtraum übersehen hatte, dass das Fahrzeug vor mir auf die Bremse gegangen war und ich sauber drauf fuhr. Unser Vater hat uns alle geliebt – man sah es an seinen Augen, die selbst beim „Böse gucken“ immer freundlich blieben. Er pflegte seinen Ruf als „Grummel“ bis zuletzt, aber letztendlich war er …Papa, den wir so auch immer in Erinnerung halten werden.

Und so endet dieser Trauerbrief nochmal mit einem Zitat eines Autors, den er wahrscheinlich ebenfalls nicht kannte, der aber ganz gut passt:

„Du bist nicht mehr dort, wo du warst. Aber du bist überall, wo wir sind.“ (Victor Hugo)


An meine Mutter, Monika Raschka

“Hast du Angst vor dem Tod”, fragte der kleine Prinz die Rose. Darauf antwortete sie: “Aber nein. Ich habe doch gelebt, ich habe geblüht und meine Kräfte eingesetzt soviel ich konnte. Und Liebe, tausendfach verschenkt, kehrt wieder zurück zu dem, der sie gegeben.”


Mit diesem Zitat aus dem Roman „Der kleine Prinz“ von dem französischen Autor Antoine de Saint-Exupéry, haben wir uns vor wenigen Jahren von unserem Vater verabschiedet und tun dies nun auch von unserer Mutter und Oma, Monika Raschka. Als er eine Woche vor Ostern im Jahr 2021 verstarb, brach für sie eine Welt zusammen und es fiel ihr sehr schwer, diesen Verlust zu akzeptieren; es gelang ihr jedoch, ihr eigenes Leben weiterzuführen, ohne je ganz loszulassen. Nun, etwas mehr als vier Jahre später, folgt sie ihm und wird nun - so wünschen wir es ihr - auf ewig mit ihm verbunden sein. Dieses Zitat hatten wir gewählt, weil es so gut zu ihm passte - und zu ihr passt es nicht minder: Sie hat all ihre Kraft für die Menschen um sie herum aufgebracht und zuletzt auch aufgebraucht, die sie liebte; neben ihrem verstorbenen Mann ganz besonders für uns, für ihre Kinder und ihre Enkel, Enkelinnen und ihrer Ur-Enkelin, sowie für ihre Freunde und Nachbarn.


Im Oktober 2023 durfte sie ihre erste Urenkelin Elaine in den Arm nehmen und noch vor wenigen Wochen war sie bei der Hochzeit von Marvin und Kayleigh zugegen und hat mit uns und ihnen gelacht, gegessen und vor Freude gestrahlt. Natürlich war sie von ihrer Krankheit gezeichnet, aber voll Stolz und Freude, dass sie diesen Augenblick noch erleben und mit uns feiern konnte. Dies war ihr letzter großer Wunsch, der ihr erfüllt wurde, und sie ein wenig glücklicher und zuversichtlicher in die eigene Zukunft und die ihrer Liebsten, ihrer Familie,  blicken ließ.


„Denke an all das Schöne, was in dir selbst und dich herum wächst und sei glücklich!“ (Anne Frank)


Wir blicken zurück auf ihr Leben: Monika, für uns immer Mama oder Oma, lernte ihren späteren Ehemann und unseren Vater Wolfgang wohl schon im Sandkasten kennen, wo sie ihm die Schüppchen und Förmchen klaute und dabei schöne Augen machte; es dauerte aber bis in den März 1970, bis beide gemeinsam vor dem Traualtar standen. Sieben Monate später kam mit Achim der erste Nachwuchs und über die Jahre folgten nach und nach vier weitere Kinder  – erst Manuela, dann Markus, Stefan und schließlich Angelika. Unsere Eltern hat es in den frühen 1970ern von Hemer nach Lippstadt zu ihren Eltern gezogen, wo wir erst in Lipperbruch und später in Dedinghausen aufwuchsen. Unsere Mutter war über all die Jahre bei uns und widmete uns ihre gesamte Kraft, auch wenn das nicht immer einfach war. Erst als die Kinder älter waren, suchte sie sich einen neuen Einstieg ins Berufsleben, erst als Putzfrau in Lippstadts legendärer Disko “Ku” und in der Marienschule und später in der Produktion des Unternehmens Schiffer. Sie war immer bodenständig und bescheiden, zugleich aber auch ambitioniert und pragmatisch - so machte sie als Schichtführerin bei der Arbeit sogar einen Gabelstaplerführerschein, um bei ihrer Arbeit unabhängiger “von den Männern” zu sein.


Mit unserem Vater hatte sie ein erfülltes Leben inmitten ihrer immer größer werdenden Familie. 1996 wurden sie zum ersten Mal Großeltern, aber das sollte nicht das letzte Mal bleiben. Über die Jahre kamen immer mehr Enkel und Enkelinnen hinzu, insgesamt wurden es bis zu ihrem Tod 15, dabei wurde der jüngste, Marian, erst 2021 geboren. Im Oktober 2023 gesellt sich mit Elaine die erste Urenkelin hinzu und auch sie wird nicht die letzte bleiben …


„Familie ist wie ein Baum – die Wurzeln bleiben, egal, wie weit die Äste auch auseinandergehen.“


Durch ihre Stärke gefestigt konnten beide, Wolfgang und Monika, im März 2020 ihre gemeinsame goldene Hochzeit begehen. 50 Jahre hielten beide aneinander fest, auch wenn es vor allem bei Wolfgang mit der Gesundheit leider immer deutlicher bergab ging. Ein Jahr blieb ihnen noch, bis er zu Hause und bei seiner Frau seinen letzten Atemzug nahm und friedlich entschlief. Nun bist auch du für immer eingeschlafen und deine Asche wird zu der seinen gestellt in einer von dir geschaffenen gemeinsamen Nische und neuen Heimat für unsere Erinnerungen an euch beide.


Aber du bleibst, ihr bleibt! Ihr werdet immer einen Platz haben in unseren Gedanken und Erinnerungen, in unseren Plänen für die Zukunft und in unseren Rückblicken auf Vergangenes. Und auch wir bleiben, eure Familie, die ihr beide so fest zusammen geschweisst habt, dass wir bis heute und auch in Zukunft ohne Streit und im festen Vertrauen aufeinander und miteinander umgehen - trotz all und vor allem wegen unserer individuellen und unterschiedlichen Eigenschaften, Stärken und auch Schwächen.

Wir alle, die wir heute hier sind, wurden und werden zusammengehalten durch eure Liebe, euer Vertrauen und eure Arbeit; und nun auch durch die gemeinsame Erinnerung an euch beide. Wir werden auch in Zukunft über und sicher auch häufig mit euch reden, in Gedanken und auch direkt an eurem Grab.

Und so nehmen wir heute Abschied in dem sicheren Wissen, dass eure Spuren in uns weiterleben – in jedem Lachen, in jeder umarmenden Geste, in jedem Familienmoment, den wir teilen. Denn, wie Johann Wolfgang von Goethe es sagte:

„Was man tief in seinem Herzen besitzt, kann man nicht durch den Tod verlieren.“


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Diese Worte vorweg als Warnung an potenzielle Leser: Es folgen die beiden schwersten und emotionalsten Texte, die ich je geschrieben habe. E...