Meine persönliche Einschätzung hierzu: Inhaltlich waren wir aufgrund der mittlerweile monatelangen Diskussionen um den Bildfilter und die nicht zu vereinenden Meinungen hierzu noch nie so nah an einem ernsthaften Fork seit dem Weggang von Uli 2004 und seiner Gründung von Wikiweise als Alternative zur Wikipedia, technisch waren wir zugleich jedoch nie so weit von einer realistischen Fork-Chance entfernt. In "Alles über Wikipedia" stellt Daniel Kinzler den aktuellen technischen Stand dar: Heute werden etwa 6.000 Wikiseiten pro Sekunde abgerufen, das entspricht im Schnitt 60.000 Dateianfragen/sec - in Spitzenzeiten 120.000 Anfragen/Sekunde. Davon entfallen 50% auf die englische, etwa 7% auf die deutschsprachige WP - um das zu realisieren bedarf es mehr als nur ein paar Freiwilliger und ein bis zwei Servern.
Doch es geht noch weiter, denn es stehen noch viele undiskutierte Fragen im Raum - einige davon wurden auf der Fork-Seite bereits angesprochen, andere werden hinzukommen:
* Bekommt man heute überhaupt noch problemlos einen Dump, oder bricht die Datensicherung (im dewiki) erfolglos ab?
* Anzahl der Mediendateien auf Commons, die übernommen werden müssten?
* Geschätzte Mitarbeiterzahl die notwendig wäre, um das Projekt am laufen zu halten? (Genug Interessenten?)
* Rolle des Vereins?
* Rolle der Schwesterprojekte?
* Übernahme von Toolserverfunktionen bzw. -programme
* Updates der MediaWiki?
* Parallelentwicklung der Inhalte ohne gegenseitiges Feedback? Fork als tatsächlich 100% unabhängiges Projekt ohne Rückgriffe auf WP?
* Notwendige Implementation vieler Helferleins, Scripte etc.?
Ein paar ergänzende Gedanken habe ich auf der Diskussionsseite hinterlassen:
* Was ist ein funktionierender Fork? Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Fork am Beginn kein funktionierender Fork sein kann - zugleich aber die Leute einen solchen erwarten.
* Technische Realisierung: Wer wäre denn in der Lage, einen ernsthaften Fork technisch zu realiseren? Sicher nicht ein paar frustierte Autoren und sicher auch nicht ein paar Scriptschreiber. Die technische Realisierung erfodert eine zwei- bis dreistellige Anzahl von Servern und zusätzlicher Infrastruktur.
* Rechtliche Unklarheit: Wer übernimmt das rechtliche Risiko, dass derzeit immer ganz bequem zu den Betreibern überm Teich transferiert werden kann?
* Inhaltliche Ausrichtung: Bedeutet ein Fork zugleich eine Festlegung neuer inhaltlicher Richtlinien? Unzufriedene finden sich in dieser Wikipedia vor allem bei den Extremen - sowohl bei den inklusionistischen wie auch exklusionistischen Lagern und eine Gruppe wird auch im Fork nicht zuferieden sein und zurückkehren zur einfacheren Lösung.
* Finanzielle Ausgestaltung: Mit einem Fork fällt die sehr bequeme Situation der ausreichenden Mittel weg - der Verein und die Foundation werden kein Interesse daran haben, einen Fork zu finanzieren (auch wenn der Verein dies hätte würde er sich isolieren) und auch zukünftig finanziell zu unterstützen.
* Ideale: „Alles Wissen der Welt für jeden auf der Welt“ könnte sehr schnell umkippen in „deutschsprachiges Wissen für alle Deutschsprecher“ - die Reichweite eines solchen Projekts kann ich nicht einschätzen, sie wird jedoch neimals an eine international vernetzte Version wie heute heranreichen.
Das nur als erste Gedanken, und sie neigen nicht dazu, mich vorbehaltlos mit der Idee eines Forks anzufreunden. Auch das grundlegende Problem, die Spaltung des Projekts und der Community und der damit zusammenhängende Rückwurf des Projekts um Jahre, ist nicht unbedingt das, was ich mir wünschen würde.
Auf der anderen Seite gestehe ich ein, dass mich der Gedanke schon als realisitische Option fasziniert:
Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wer, wenn nicht wir?
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